Montag, 25. Juni 2012

Twitter und Zensur II: Morddrohungen von Twitter


Leigh Van Bryan ist nicht der Einzige, der aufgrund von missverstandenen Witzen in Tweets ein Problem bekam. Die BBC News berichtete über Paul Chambers:

"In January 2010, Paul Chambers tweeted that he would blow snow-affected Robin Hood Airport in Doncaster "sky high!" if it was not reopened in time for him to see his girlfriend. He was fined £385 plus £2,600 in costs - a sum which actor Stephen Fry offered to pay on Mr Chambers' behalf." (BBC News. 2012. von http://www.bbc.co.uk/news/technology-16810312).

Der Fall von Hamsa Kaschgari aus Saudi-Arabien war noch viel schlimmer als der obige Fall. Herr Kaschgari hatte in ein paar Tweets anlässlich des Geburtstages des Propheten Mohammeds der vergangenen Woche seine Zweifel an diesem erwähnt. Nach diesen Tweets hat er über 30‘000 Rückmeldungen und manche Morddrohungen bekommen. Er hat sich entschuldigt und seine Tweets gelöscht, aber bekam weiterhin regelmässig Drohungen. Seine Angst wurde immer grösser, bis er sich dazu entschied, nach Malaysia zu flüchten. Er wurde aber in Malaysia gefasst und nach Saudi-Arabien zurück überwiesen. (BBC News. 2012. von http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-17001900).

Beleidigung des Propheten gilt im Islam als Blasphemie und in Saudi-Arabien wird dies mit der Todesstrafe bestraft. Hamsa Kaschgari wurde also aufgrund von Tweets mit dem Tod konfrontiert.

In den meisten Ländern herrscht nicht nur auf dem Papier sondern auch in Wirklichkeit Meinungsfreiheit und damit auch die Freiheit, diese zu äussern. Da es aber Länder gibt, wo dies nicht der Fall ist, ist dort „gefährliches Gedankengut“ wirklich gefährlich, und zwar für den, der solches äussert. Es bleibt das Problem, dass wenn in solchen Fällen vom Staat keine Zensur vorgenommen wird, einige Personen dies sogar mit dem Tode bezahlen müssen.

Diese geschilderten Fälle suggerieren uns, dass Tweets von Staaten überwacht und analysiert werden. Wir wissen nicht genau, wie diese Informationen gesammelt, wo gespeichtert und wie sie angewendet werden. Man muss also stets aufpassen, was man twittert. Zur Sicherheit sollte man am besten den geschriebenen Tweet noch ein- bis zweimal durchlesen, bevor man ihn veröffentlicht.

von Bissig

Twitter und Zensur I: „destroy America“

Ende Januar 2012 sind zwei junge Touristen aus Grossbritannien, Leigh Van Bryan und seine Freundin Emily Bunting, nach Amerika geflogen und in Los Angeles wurde ihnen die Einreise verweigert. Sie wurden mit mexikanischen Drogen-Schmugglern 12 Stunden lang unter bewaffneter Bewachung in einer Zelle festgehalten.

Grund für das Einreiseverbot war Leigh Van Bryans Tweet. Kurz vor der Abreise hatte er in Twitter geschrieben: “@MelissaxWalton free this week for a quick gossip/prep before I go and destroy America x“. Er hat aber damit nicht gemeint, dass er Amerika zerstören wollte. „Destroy“ bedeutet im British-Slang einfach“'party“ und er wollte mit diesem Tweet seine Kollegen fragen, ob sie diese Woche frei für Klatsch seien, bevor er in Amerika ein „Party“ habe. (Parkinson, R. H.. 2012. von http://www.dailymail.co.uk/news/article-2093796/Emily-Bunting-Leigh-Van-Bryan-UK-tourists-arrested-destroy-America-Twitter-jokes.html).

Leigh Van Bryan hatte früher auch schon einen anderen Witz auf seinem Twitter gemacht, welcher von einer bekannten US- Zeichentrick-Sendung „Family Guy“ zitiert wurde. Dieser Spruch lautete: „3 weeks today, we're totally in LA p****** people off on Hollywood Blvd and diggin' Marilyn Monroe up!“ (Parkinson, R. H.. 2012. von http://www.dailymail.co.uk/news/article-2093796/Emily-Bunting-Leigh-Van-Bryan-UK-tourists-arrested-destroy-America-Twitter-jokes.html). Diese Aussage war ein weiterer Grund, weshalb er von den US-Behörden als eine verdächtige Person eingestuft wurde.

The New York Times fragte The United States Department of Homeland Security (DHS) über diesen Vorfall aus und erhielt die Antwort, dass das DHS wegen „Sicherheits-Besorgnis“ Leigh Van Bryan und seiner Freundin ihre Einreise verweigerte. Das DHS gab aber keine genauen Hintergründe dazu, wie und warum sie Leigh Van Bryan beobachtet und als gefährlich eingestuft hatten. (Goodman, J. D.. 2012. von http://thelede.blogs.nytimes.com/2012/01/30/travelers-say-they-were-denied-entry-to-u-s-for-twitter-jokes/).

Ein grosses Problem von solchen Social-Network-Diensten im Internet ist, dass es Benutzer weltweit gibt und der Inhalt auch weltweit zugänglich ist, aber die Gesetze, Denkweisen oder Kulturen nicht in jedem Land auf der Welt gleich sind. Beispielweise stellten Leigh Van Bryans Tweets in England kein Problem dar, aber in den USA schon. Dementsprechend ist auch Zensur in Social-Network-Diensten in verschiedenen Ländern nicht gleich stark ausgeprägt. Wo bei einigen Ländern Zensur kaum ein Thema ist, ist es bei anderen fast notwendig, um die Benutzer nicht in Gefahr zu bringen.

von Bissig

Donnerstag, 21. Juni 2012

Internet und Demokratie: Evgeny Morozovs Buch 'The Net Delusion'

Von Fiona Bradley, http://www.flickr.com/photos/blisspix/5372208409/sizes/o/in/photostream/, abgerufen am 21.06.2012


Evgeny Morozov wurde 1984 in Weissrussland geboren und kann somit zur Generation der Digital Natives gezählt werden. Heute forscht er an der Universität Stanford als Gastdozent und verfasst für diverse Zeitungen Artikel zur Bedeutung und Entwicklung des Internets in der Gesellschaft. Sein Buch The Net Delusion: How Not to Liberate the World aus dem vergangenen Jahr hat relativ viel Aufmerksamkeit erhalten und wurde sowohl mit Lob als auch Kritik bedacht.

In seinem Buch vertritt Morozov (2011, S. 93) die Ansicht, dass in westlichen Ländern dem Internet und Social Media für die Durchsetzung einer demokratischen Gesellschaftsordnung eine viel zu grosse Rolle zugesprochen wird. In der Regel werde davon ausgegangen, dass in einer globalisierten Welt alle Regierungen einen freien Kommunikations- und Informationsfluss zulassen müssen, wenn sie eine positive wirtschaftliche Entwicklung in ihrem Land wollen. Nach dieser Auffassung kann sich eine autoritäre Regierung zwischen zwei Wegen entscheiden: Entweder sichert sie ihre Macht durch Zensur und ist in der Folge mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert oder sie verzichtet auf Zensur und verliert innerhalb kurzer Frist ihre Macht.

Nach Morozov ist diese Sichtweise schlicht naiv. Er vertritt die Auffassung, dass das Internet und Social Media von autoritären Regierungen genutzt werden können, um ihre Macht zu erhalten und die Bevölkerung zu überwachen, ohne dabei wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Dass diese Einsicht in westlichen Staaten fehlt, führt Morozov auf ein allzu einfaches Bild von autoritären Herrschern zurück: 
"Contrary to the usual Western stereotypes, modern dictators are not just a loose bunch of utterly confused loonies lounging around in their information-resistant bunkers, counting their riches, Scrooge McDuckstyle, and waiting to get deposed, oblivious to what is happening outside. Quite the opposite: They are usually active consumers and producers of informaton. In fact, finding ways to understand and gather information - especially about threats to the regime - is one invariable feature of authoritarian survival" (Morozov 2011, S. 90.91).
Morozov (2011, S. 96) kritisiert, dass westliche Regierungen zu lange davon ausgegangen sind, dass es nicht möglich sei, ausgefeilte Methoden zur Internetkontrolle zu entwickeln und den Zugang nur zu ganz bestimmten Internetangeboten zu kontrollieren, beispielsweise gezielt politische Seiten zu blockieren. Dies werde in Zukunft aber immer mehr der Fall sein:
"Governments have mastered the art of keyword-based filtering, thus gaining the ability to block websites based on the URLs and even the text of their pages. The next logical stage would be for governments to develop ways in which to restrict access to content based on concrete demographics and specific user behavior, figuring who exactly is trying to access what, for what possible reason, what else they have accessed in the previous two weeks, an so forth before making the decision whether to block or allow access to a given page" (Morozov 2011, S. 96-97). 
Nach Morozov (2011, S. 117) können das Internet und Social Media wie zum Beispiel Blogs autoritären Regierungen auch sehr nützlich sein. Sie geben die Möglichkeit, mehr über die politischen Gegner in Erfahrung zu bringen, indem das Surfverhalten und die verbreiteten Inhalte analysiert werden. Zugleich können sie auch als Mittel dienen, um Propaganda zu verbreiten und das Internet in ein "Spinternet" umzuwandeln. Morozov meint damit die Möglichkeit, dass Regierungen gezielt Informationen verbreiten, welche die Glaubwürdigkeit der veröffentlichten Inhalte in Frage stellen:
"In countries where even ardent supporters of democratization are often paranoid about foreign intervention, all it takes to discredit a blogger is to accuse her of being funded by the CIA, MI6, or Mossad (or, even better, all three simultaneously!). If that accusation is repeated by a hundred other bloggers - even if some of them look rather dubious - most sane critics of the government think twice before reposting that blogger's critical message. The best way to create such a culture of mistrust is for governments to cultivate extremely agile rapid-response blogging teams that fight fire with fire" (Morozov 2011, S. 122).
Man mag die Thesen von Morozov unterstützen oder kritisieren. Morozov hat aber einen weiteren Anstoss zur Auseinandersetzung mit dem Thema Zensur im Internet gegeben, die es erlaubt, neue Frage zu stellen und weiterzudenken. Sein Buch weist darauf hin, dass das Thema Zensur viel weitschichtiger ist, als man auf den ersten Blick vermuten könnte.

von ev


Quellen: 

Morozov, Evgeny (2011): The Net Delusion. How Not to Liberate the World. London. Allen Lane.













.



Dienstag, 19. Juni 2012

Social Media: Instrument der Kriegsführung?


Project Censored veröffentlicht jedes Jahr eine durch ein Redaktionsteam ausgewählte Liste von Artikeln, die in den Medien von ihrer Bedeutsamkeit her zu wenig Beachtung gefunden haben oder zensuriert wurden. Auf der diesjährigen Liste ist an zweiter Stelle ein Artikel aufgeführt, der darüber berichtet, wie das amerikanische Militär beabsichtigt, Social Media-Nutzer zu beeinflussen (http://www.projectcensored.org/).

Laut diesem Bericht vom 17. März 2011 im Guardian hat das amerikanische Militär die Entwicklung einer Software in Auftrag gegeben, die es ermöglicht, Social Media zu manipulieren, ohne dass es die Nutzer bemerken. Das Programm soll Mitarbeiter des Militärs in die Lage versetzen, verschiedene Identitäten auf Social Media-Plattformen anzunehmen und sich in die Kommunikation einzuschalten oder proamerikanische Propaganda zu verbreiten.

Solche vorgetäuschten Identitäten werden von Social Media-Nutzern als sock puppets bezeichnet. Das Annehmen solcher Identitäten ist in den USA verboten (http://www.guardian.co.uk/technology/2011/mar/17/us-spy-operation-social-networks). 2010 wurde beispielsweise ein Rechtsanwalt in New York zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er im Internet unter Angabe falscher Identitäten Posts auf Blogs veröffentlicht und E-Mails geschrieben hatte (http://www.foxnews.com/us/2010/11/18/ny-lawyer-faces-sentence-dead-sea-scrolls-case/). Das Unternehmen Facebook, das seinen Sitz in den USA hat, gibt als Nutzungsbedingung ebenfalls vor, dass bei der Erstellung eines Accounts keine falschen Angaben über die Identität gemacht werden dürfen (http://www.washingtontimes.com/news/2011/mar/1/us-central-command-friending-the-enemy-in-psycholo/print/).

Nach Aussagen des Militärs soll der Einsatz der Software nur auf fremdsprachigen und nicht-amerikanischen Seiten stattfinden, um nicht gegen die Gesetze zu verstossen. Hauptsächlich sei es das Ziel, feindlichen und extremistischen Bewegungen, vor allem der Rekrutierung von Selbstmordattentätern durch die Taliban, entgegenzuwirken. Deshalb ist geplant, das Programm in Arabisch, Paschtunisch und Urdu einzusetzen (http://www.telegraph.co.uk/technology/social-media/8389577/Pentagon-buys-social-networking-spy-software.html).

Dennoch wurde das Vorgehen der USA mit Chinas Umgang mit dem Internet verglichen. Besonders kritisiert wurde, dass die USA dadurch ein schlechtes Vorbild abgeben und damit nicht nur andere Staaten, sondern auch private Unternehmen zu einem ähnlichen Vorgehen verleiten könnten (http://www.guardian.co.uk/technology/2011/mar/17/us-spy-operation-social-networks). Eine solche Instrumentalisierung der Social Media ist für die freie Meinungsäusserung sicher nicht förderlich.

von ev











Zensur und Flickr II: Protest-Bewegung gegen Selbstzensur und Zensur von Staat


(censorship on flickr von censorship on flickr.

Es gibt viele Flickr-Nutzer, die gegen die Filter-Politik des Flickrs in Deutschland protestiert haben. Beispielweise haben die Flickr-Nutzer als eine Protest-Strategie ein Tag in Flickr eingerichtet, mit welchem verschiedene Nutzer ihre Fotos und Bilder taggen, die gegen die Filter-Politik gemacht werden. Der Tag nennt sich "thinkflickrthink":

„This research studies the reactions of the users of Flickr who, in an uncoordinated way, responded to a change in its filtering policy in Germany. In particular, it focuses on the birth and dissemination of a new anti-censorship tag created for the occasion:

"thinkflickrthink". This event presented a unique opportunity to analyze, from its origins, the semiotic dynamics of a specific word within a social network. The creation of this and other competing anti-censorship tags points towards a strategic, even subversive use of the system itself.“ (Tisselli, E. 2010. http://www.motorhueso.net/text/thinkflickrthink_pdf.pdf).

Im Juni 2012 wurden auf Flickr über 2000 öffentliche Bilder mit dem Tag "thinkflickrthink" gefunden: (http://www.flickr.com/photos/tags/thinkflickrthink/. Abgerufen um 15. 06. 2012). Manche Nutzer wie „una cierta mirada“ schreiben auch Nachrichten in verschiedenen Sprachen gegen die Filter-Politik.

Flickr hat sich entschuldigt und will ihre Filter-Politik abschwächen. Derzeit behält Flickr jedoch noch diese strenge Filter-Politik bei (Shankland, S. 2007. http://news.cnet.com/8301-10784_3-9730348-7.html).

Fotos und Bilder in Flickr werden nicht nur durch Selbstzensur gefiltert, sondern auch vom Staat. Welt Online und NowPublic haben berichtet, dass China vor dem 20. Jahrestag des Massakers auf dem Tiananmen-Platz tausende Kommunikationsportale wie Twitter und Flickr gesperrt hatte. (Wert Online. 2009. http://www.welt.de/politik/article3849940/China-fuehrt-aus-Angst-massive-Digitalsperre-ein.html) (Truemorist. 2009. http://www.nowpublic.com/culture/china-blocks-twitter-hotmail-flickr-bing-tiananmen-20th).

Durch Kommunikationsportale im Internet können viele Leute mit sehr unterschiedlichen Kulturen, Bräuchen und verschiedenen Alters auf die gleichen Informationen zugreifen. Es ist also möglich, dass die Veröffentlichung eines Bildes in einem Land kein Problem darstellt, aber in einem anderen Land schon (z.B. Fotos mit nackter Körper). Für die Informationsfilter stellt sich immer die gleiche Frage: Wie und wie weit sollen Informationen kontrolliert werden? Wir müssen der Antwort nachgehen, um bessere Lösungen dafür zu finden.

von Bissig